Einsichtnahme in Krankenakten

 

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Immer wieder begegnen Patienten Problemen, wenn sie Einsicht in ihre Krankenakten nehmen wollen. Wer ein rechtliches Interesse hat, darf Einsicht in eine im fremden Besitz befindliche Urkunde gemäß 810 BGB verlangen, sofern die Urkunde in seinem Interesse errichtet wurde. Das rechtliche Interesse ergibt sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da ärztliche Unterlagen mit ihren Angaben über Anamnese, Diagnosen und therapeutische Maßnahmen unmittelbar die Privatsphäre des Patienten betreffen (BVerfG, Beschluss v. 16.09.1998). Die Krankenakten dienen auch dem Interesse des Patienten und stellen nicht nur eine Gedankenstütze des Arztes dar. Eine ordnungsgemäße Dokumentation ist als Bestandteil einer sorgfältigen Behandlung vom Arzt geschuldet (BGH, Urteil v. 27.06.1978, VI ZR 183/76)

Widersprüchlichen Einzelrechtsprechungen

Gleichwohl ist die Rechtslage ist geprägt von teilweise widersprüchlichen Einzelrechtsprechungen, die in besonderen Fällen die Einsichtnahme in die Krankenakten schwierig bis unmöglich macht. Nach der Musterberufsordnung sind Ärzte verpflichtet Patientenakten zu führen und dem Patienten Einsicht in diese zu gewähren. Einsichtnahme i.s.d. MBO und § 810 BGB bedeutet zunächst, dass der Patient bei dem Arzt oder im Krankenhaus Einsicht in die Originalkrankenunterlagen nehmen kann. Meistens ist dem Patienten hiermit aber nicht gedient und das Einsichtsrecht würde ins Leere laufen, wenn er nicht über die erforderlichen medizinischen Kenntnisse und ausreichend Zeit verfügt, um den Sachverhalt zutreffend beurteilen zu können. Der Patient hat daher Anspruch auf die Aushändigung von Kopien. Dies bedeutet aber nicht, dass der Arzt oder das Krankenhaus verpflichtet ist die Kopien zu fertigen und zu übersenden. Vielmehr muss der Patient von den Krankenakten Kopien anfertigen. Entscheidungen des AG Hagen und des LG Dortmund aus den Jahren 1997 und 2000 gehen allerdings davon aus, dass Kopien bereitgehalten werden müssen bzw. von den Krankenakten lesbare Abschriften zu fertigen sind, wenn diese auf grund der Handschrift des Arztes nicht zu entziffern sind. Unstreitig hingegen ist, dass die Kosten der Einsichtnahme vom Patienten zu tragen sind. Der Arzt kann daher, bevor er Kopien der Krankenunterlagen herausgibt oder übersendet, die bei ihm entstehenden Kosten im Wege einer Vorschussleistung verlangen.

Objektive Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen

Das Recht des Patienten Einsicht in die Krankenakten zu nehmen, bedeutet nicht, dass er die gesamte Akte kopieren oder sich ansehen darf. Vielmehr besteht das Recht nur insoweit, als es sich um objektive Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen handelt. Deshalb bestehen insbesondere Probleme bei der Einsichtnahme in die Krankenakten psychisch erkrankter Patienten. Nach Auffassung des BGH, die vom Bundesverfassungsgericht auch bestätigt wurde, umfasst der Anspruch auf Einsichtnahme grundsätzlich nur Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen und kann sich im Einzelfall auch auf den sensiblen Bereich nicht objektivierbarer Befunde erstrecken (BGH, Urteil v. 23.11.82, Az.: VI ZR 177/81; BGH Urteil v. 23.11.23.11.82, Az.: VI ZR 222/79; BverfG, Beschluss v. 16.09.98, Az.: 1 BvR 1130/98). In bezug auf psychiatrische Behandlungen bestehen Besonderheiten, denn dort entscheidet der Arzt, ob eine Aushändigung der Krankenakten an den Patienten medizinisch verantwortbar ist. Der Arzt kann die Einsichtnahme in die Krankenakten allerdings nicht pauschal verweigern, sondern muss die entgegenstehenden therapeutischen Gründe darlegen, wobei er nicht ins Detail gehen muss.

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