Nachschieben von Kündigungsgründen

Nach Ausspruch einer Kündigung kann sich die Frage stellen, ob Kündigungsgründe, die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht herangezogen wurden nachgeschoben werden können. So z.B. während eines Kündigungsschutzprozesses.

Zu unterscheiden ist hierbei zunächst ob es sich bei der vorangegangenen Kündigung um eine fristgemäße Kündigung, eine fristlose Kündigung oder eine Kündigung bei Bestehen eines Betriebsrates handelt.

Verpflichtung zur Nennung der Kündigungsgründe

Eine Verpflichtung zur Nennung der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben besteht für den Arbeitgeber nicht. In der überwiegenden Anzahl der Kündigungsschreiben werden daher auch keine Gründe genannt oder ggf. pauschal auf betriebsbedingte Gründe Bezug genommen. Kommt es zum Prozess müssen die Kündigungsgründe allerdings umfassend dargelegt werden, weil das Gericht beurteilen muss ob die Kündigungsgründe eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch rechtfertigen. Hat der Arbeitgeber keine Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben genannt ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben in der Regel möglich. Es kommt nicht darauf an, ob die Gründe bekannt waren oder nicht.

Prinzipiell ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen auch dann möglich, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben Gründe genannt wurden. Die Wirksamkeit der Kündigung ist nicht davon abhängig welche Gründe bei Ausspruch der Kündigung oder zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt wurden und ob sämtliche Kündigungsgründe genannt wurden, gar keine oder falsche. Maßgebend ist allein das objektive Bestehen eines Kündigungsgrundes. Werden allerdings die Kündigungsgründe während des Kündigungsschutzverfahrens in dem Sinne ausgetauscht, dass die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, kann dies zweifelhaft sein. Wird z.B. aus einer betriebsbedingten Kündigung eine verhaltensbedingte Kündigung, könnte dies bei Gericht auf Widerstand treffen. Kommt ein Nachschieben in solchen Fällen nicht in Betracht, muss eine neue Kündigung ausgesprochen werden.

Entstehen Kündigungsgründe erst nach Ausspruch der Kündigung, können diese für den Arbeitgeber immer nur Anlass für eine weitere Kündigungserklärung sein. Im Berufsausbildungsverhältnis hat die Kündigung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und nach Ablauf der Probezeit gemäß § 22 BBiG nur fristlos unter Angabe der Gründe. Kündigungsgründe können im Berufsausbildungsverhältnis nicht nachgeschoben werden.

Hat der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung erhalten, ist fraglich, ob der Arbeitgeber Kündigungsgründe ebenfalls nur innerhalb einer Zweiwochenfrist, die für den Ausspruch der Kündigung gilt, nachschieben darf. Die fristlose Kündigung gibt zu erkennen, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers subjektiv für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Das Gericht überprüft deshalb ob Kündigungsgründe vorlagen und diese so schwerwiegend sind das eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist. Die Beurteilung, ob tatsächlich im Zeitpunkt der Kündigung Beendigungsgründe gegeben waren ist vom Gericht unter Berücksichtigung aller zu diesem Zeitpunkt objektiv vorliegenden Umstände zu entscheiden. Das erfolgt unabhängig davon, ob bei Ausspruch der Kündigung die Kündigungsgründe bereits bekannt waren oder nicht. Der gekündigte Arbeitnehmer muss daher nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung auch damit rechnen, dass im Prozess weitere bislang unentdeckte Gründe zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragen werden. § 626 Absatz 2 BGB findet somit beim Nachschieben von nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgründen keine Anwendung. Die Zweiwochenfrist gilt nur hinsichtlich der Ausübung des Kündigungsrechts und nicht für das Nachschieben von Kündigungsgründen.

Betriebsrat

Existiert ein Betriebsrat ist das Nachschieben von Kündigungsgründen wesentlich erschwert. Die Anhörungspflicht des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung führt dazu, dass in einem Kündigungsschutzprozess ein striktes Verwertungsverbot bezüglich aller Kündigungsgründe besteht, die nicht mitgeteilt wurden. Grundsätzlich muss der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG vor jeder Kündigung gehört werden. Das gilt auch hinsichtlich der nachzuschiebenden Gründe, soweit sie zum Zeitpunkt der Kündigung unbekannt waren. Waren die Gründe zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt können diese keine Berücksichtigung mehr finden. Wenn das Nachschieben bereits bekannter, aber zunächst zurückgehaltener Kündigungsgründe uneingeschränkt zulässig wäre, könnte das zu einem Unterlaufen des Mitwirkungsrechtes des Betriebsrates nach §102 BetrVG und insbesondere des Widerspruchsrechtes nach Abs. 3 und des daraus folgenden Weiterbeschäftigungsanspruches nach Abs. 5 führen. Es soll kein Anreiz für Arbeitgeber geschaffen werden Kündigungsgründe erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens und nach Ausspruch der Kündigung vorzutragen und so dem Widerspruch des Betriebsrats vorzubeugen und das Anhörungsrecht auszuhöhlen. Es besteht daher ein striktes Verwertungsgebot für dem Betriebsrat nicht genannte Gründe, die zur Kündigung geführt haben. Eine Erläuterung und Ergänzung benannter Kündigungsgründe ist allerdings zulässig.

Im Kündigungsschutzprozess sind in der Regel über die Mitteilungen an den Betriebsrat hinaus die Kündigungsgründe weiter zu ergänzen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Erläuterung der mitgeteilten Gründe und dem Nachschieben weiterer kündigungsrechtlich erheblicher Tatsachen. Die Abgrenzung ist zu messen am Sinn und Zweck des § 102 BetrVG. Gemäß § 102 BetrVG soll der Arbeitgeber dem Betriebsrat die maßgebenden Tatsachen, die zu seinem Kündigungsentschluss geführt haben, so mitteilen, dass dieser sich ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein eigenes Bild über die Begründetheit der Kündigung machen kann. Pauschale Schlagworte oder stichwortartige Bezeichnungen des Kündigungsgrundes reichen für eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht aus. Durch einen ergänzenden Vortrag im Kündigungsschutzprozess darf das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats nicht verkürzt werden. Das bedeutet, dass die Erläuterungen zu den dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründen weder zusätzliche Kündigungsgründe noch Vorwürfe oder Tatsachen enthalten dürfen, die den bisherigen Vortrag erst zu einem kündigungsrechtlich relevanten Grund machen oder dem Kündigungsgrund erheblich mehr Gewicht verleihen.

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